Vandenhoeck & Ruprecht, 1994. — 592 p. — (Studien zum Althochdeutschen 23).
Die wissenschaftliche Erschließung vergangener Sprachstadien ist in besonderem Maße auf die Bewußtmachung und Überwindung der Gefahren des hermeneutischen Zirkels angewiesen. Bereits in der auf die Gegenwartssprache bezogenen Linguistik ist immer wieder der transitus ab intellectu ad rem aufgrund des Kurzschlusses von unzureichend reflektierten methodischen Grundlagen auf die angenommene Struktur der Sache zu beobachten. Dafür hält gerade die jüngere Wissenschaftsgeschichte genügend Beispiele bereit. Die Erforschung einer älteren Sprachstufe aber muß zunächst einmal jener Instanz entbehren, auf die alle Analysen gegenwartssprachlicher Phänomene bauen können: des kompetenten Sprechers. Die Analyse älterer Sprachzustände mit dem Ziel struktureller Ergebnisse kann deshalb Aussagen über das System einer Sprache nur als rekonstruktionsbasierte Hypothesen treffen, die auf der überlieferten erstarrten parole der vergangenen Sprecher beruhen. Die erste Stufe der Erschließung dieser erstarrten parole ist die Ausgabe der überlieferten Quellen. Die zweite Stufe ist die lexikographische Erschließung des in diesen Quellen aufgehobenen Wortschatzes. Die dritte Stufe ist die Erforschung der so aufbereiteten sprachlichen Überlieferung unter übergreifenden strukturellen Fragestellungen. In der Praxis der Forschung ist aber dieses Nacheinander kaum zu beobachten. Sondern die Erschließung der älteren Sprachstufe erfolgt in einem Nebeneinander, Miteinander und Ineinander der drei Schritte. Das gilt auch für den Gegenstand der vorliegenden Studien, die Abstraktbildungen des Althochdeutschen.